Montag, 23. Februar 2009

Karneval

Liebewonnene Tradition. Wird immer mit denselben Leuten, oft an denselben Orten verbracht. Als Basis dient mir während dieser Zeit das Haus der Eltern, es ist näher am Geschehen. Donnerstag, Freitag, Samstag... Ich beschließe, dieses Jahr am Sonntag eine Pause einzulegen. Da am Montag auch gefeiert werden soll, ist ein Tag Ruhe nötig. Lade eine Freundin ein, die mich besuchen kommt. Spazieren gehen, Kaminfeuer, Kakao trinken. Ein karnevalsloser Sonntag.

Schon beim Aufwachen schwant es mir. Ach heute geht in meinem Dorf ja der Zug! Hmmmm, Auto umparken, sonst kann ich meine Straße nicht verlassen, wenn ich die Freundin an der Bahn abholen möchte. Bei Umparken, und später im Beisein meines Gastes, dröhnen verschiedene Beschallungen in ungeahnten Dezibelstärken bis ins Haus "Un wenn et Trömmelche jeht, da ...!" Flucht ins Wohnzimmer, doch die andere Hausseite vibriert von "Die Karavane zieht weiter, der Sultan hat Durst, der Sultan hat Durst...". Nun gut, dann gehen wir halt spazieren. Zwei Straßen lang geht es gut, dann stoßen wir auf den Zug. Verkleidete Kinderchen, Bonbons... nein danke, keine Bonbons, genug Süßigkeiten dieses Jahr, mein Speckröllchen wachsen. In gemeinsamem Einverständnis stehen die Freundin und ich stoisch stumm am Straßenrand. Es passiert das, wovon ich als Kind nur zu träumen wagte: Wir stehen unter Beschuss, wiederholt prasseln harte Bonbons auf uns herab. Andere brüllen sich die Seele aus dem Leib "Kamelle, Kamelle!" und bekommen nichts. Meine Freundin schaut auf den Bonbonteppich zu ihren Füßen, hebt theatralisch die Hände zum Himmel und stöhnt: "Dabei haben wir noch nicht einmal eine Tüte!" Just in dem Augenblick springt ein kleines Mädchen, das sie unmöglich gehört haben kann, aus einer der defilierenden Gruppen heraus und wirft uns eine rote Stofftüte zu. Meine Freundin ist begeistert und versucht es gleich nochmal. Hände Richtung Himmel ausgestreckt: "Ich will Geld!" Funktioniert leider nicht. Wir sammeln, gegen die Gewohnheit kann man nichts, die Bonbons ein und gehen mit der prall gefüllten Tüte zurück zum Haus. Ansatzweise genervt inspizieren wir das Gefangene auf dem Wohnzimmertisch, wir wollten das doch beide nicht, was machen wir jetzt damit? Just in dem Augenblick geht die Türklingel. Vorsichtig öffne ich die Tür, wer das wohl... meine Nachbarin und ehemalige Kinderfrau: "Guck mal, ich dachte, so hast du auch welche!" Ein gehäufter Teller Bonbons. Ich gehe resigniert und gerührt zurück ins Wohnzimmer, meine Freundin krümmt sich vor Lachen. So ein Berg! Die werden alle diese Woche verschenkt.

Zweideutigkeiten

Gestern Australia, heute ein Australier. Mit ihm und ein paar Freunden Abendessen am All you can eat-Buffet. Ich schaue dem Wer-kann-am-meisten-essen-Wettbewerb amüsiert zu. Unglaublich, was für Berge auch in kleine Männer hineinpassen. Nach dem letzten Teller bekomme ich mit, dass auf der gegenüberliegenden Tischseite über das Heimgehen gesprochen wird. Ich beuge mich zu dem Australier vor und frage: "Willst du ins Bett?" Völlig verstörter Blick auf die Tischplatte. Nach ein paar Sekunden leichter Verwunderung meinerseits hilft der Tischnachbar des Australiers nach: "Nachtgezwitscher, das war zweideutig." Ach so! So meinte ich das doch nicht, versichere ich dem Australier. Er, mittlerweile knallrot, ist erleichtert.

Passend zum Thema gibt er dann lachend eins seiner ersten Erlebnisse in Deutschland zum besten: "So I met this girl, and we had a drink together. She was really pretty, and we had a lot of fun, and suddenly, after I had said something, she was like 'Oh wie geil!' and I thought: Oh my God, she's telling me she's horny. And she went on saying this all the time 'geil, geil, geil', until she asked me what was the matter with me. Then she told me that it also meant 'cool' and I understood." Was für ein Gesicht er dabei gemacht haben muss, hatte ich ja fünf Sekunden früher gesehen.

Durch die muntere Unterhaltung fühle ich mich angeregt, eins meiner Jugenderlebnisse zum besten zu geben. Das dürfte mittlerweile ganze neun Jahre her sein. Als Jugendliche war ich ziemlich unsicher und recht unentspannt. Ein paar gute Freunde hatte ich, sonst aber hatte ich nur wenige Kontakte, stellte mich oft in Frage und war geneigt, in anderen eher Feinde als Freunde zu sehen. Die Geburtstagsfeier meines besten Freundes, zu dem nur seine engsten Freunde kamen (, die alles waren, nur nicht lieb), war also gleichzeitig spannend und stressig. Die Kerle waren zu der Zeit 19 Jahre alt, noch in ihrer Langhaar- und Besäufnisphase und hatten auf ebendieser Geburtstagsfeier bis tief in die Nacht jedes Jahr rituell Spass. Einer dieser Späße war, und darüber muss ich jetzt grinsen, mich zu ärgern (ohne dass ich mir dessen bewußt wurde natürlich). Ich war tatsächlich leicht zu ärgern. Der 'Knopf' war von den Vorjahresfeiern bekannt: Ich vertrug die Asi-Witz-Phase, die bei hohem Akoholpegel unverweigerlich vor der Schaukampfphase, aber nach der Schwester-ärgern-Phase (die Arme hat mindestens genauso gelitten wie ich) einsetzte, nicht gut. Meine Familie war auf Teufel komm raus politisch korrekt, allesamt Lehrer, katholische Erziehung, das prägte. Egal, wie sehr ich mich bemühte, bei all den Ausländer- und Judenwitzen nicht hinzuhören, ich stieß an meine Grenzen und ärgerte mich maßlos. Ohne mein Ärgern hätten die Witze wahrscheinlich dreißig Minuten gedauert, so aber erwies sich der Fundus als unerschöpflich und sie dauerten ein bis zwei Stunden. An jenem Abend war es mal wieder soweit. Ich hatte mich so sehr geärgert, dass ich gegen zwei Uhr morgens die Heimfahrt beschloss. Und ich suchte nach den entsprechenden Worten, um meiner Empörung Luft zu machen. Ich erhob mich also, die Rächerin der Gerechten, und verkündete mit fester Stimme: "Ich fahre jetzt, sonst werde ich gleich spitz!" Von der Doppeldeutigkeit des Wortes hatte ich keine Ahnung, gewählt hatte ich es wegen des Aggressionspotentials, wie etwa in 'spitze Kommentare'. Es wurde sehr still in der Runde. Die Männer brauchten ein paar Sekunden, um ihren Ohren Vertrauen zu schenken. Mein bester Freund guckte mich groß an und fragte mich auf dem Weg zur Tür diskret "Sag mal, weißt du, was du da gerade gesagt hast?" Das brüllende Gelächter, das durch die offenen Fenster klang, begleitete mich bis zum Parkplatz.

Der Australier ist begeistert: "Oh I have to remember this one! What was it? Spitz? Oh yeah! Oh and yeah, once this really embarrassing thing happened to me here. I had gone to the diso with friends. We stood there and then 'booom' this guy bumped into me and I thought Gosh! what's he doing, I was really annoyed, and then he bumped into me another time 'boom!', again! and I thought I won't let him do that! Oh, if he comes back - and he came back, and 'booom!' he again bumped into me! So I hit him really hard, he fell onto the floor and lay there and was really scared. And then a friend said to me 'Hey, what are you doing, look, they're all jumping!' And I looked up, and he was right, they were all jumping, and I was really embarassed." Ich bin fasziniert. Habe ich gestern noch im Film das australische Outback kennengelernt und war verwundert, wie sehr die rauhen Sitten an den amerikanischen Wilden Westen erinnern, so erlebe ich heute in einem Gespräch, wie der australische Überlebenskampf auf eine harmlose deutsche Tanzfläche transplantiert wird. Und das von einem auf den ersten Blick so lustigen und sympathischen Kerlchen.

...

Nachtgezwitscher, wir haben an dich gedacht. Eine Stelle, Übersetzungen, Assistenztätigkeit, ein bisschen unterrichten. Wenn du willst, bewirb dich, mein Chef weiß schon, dass ich dich anspreche.

Zuerst mal, ich bin ja noch gar nicht mit dem Studium fertig. Und dann... Ich wollte doch weg. Einige Zeit im Ausland verbringen. Andererseits, bei der Arbeitsmarktsituation. Es ist ja auch gar nicht gesagt, dass ich den Job sicher bekomme, wenn ich nicht sofort anfangen kann, sondern noch Monate studiere. Aber das zwingt mich, konkreter über meine Zukunft nachzudenken. Hierbleiben? Nachdem ich schon mindestens ein Jahr lang im Voraus meinem jetzigen Leben hinterhertrauere? Sacken lassen. Einfach mal sehen. Ein paar Stunden bewußt nicht daran denken. Eine Schnulze gucken. Australia. Schön! Von der großen Liebe träumen. Von allem, was ich im Leben noch machen könnte. Und dann bewerben. Wahrscheinlich. Aber erst morgen.
Und da haben Leute an mich gedacht. Wooow, das ist SO nett!!!!

Tirliriiiiiiiii flürüt!

Alle möglichen Töne mit persönlicher Note

Sieh da, neuer Vogel im Revier!

Lieber Besucher, dieses Blog ist mir ein intimes Tagebuch. Zu lesen sind Anekdoten, aber auch Gedanken, die mich stark beschäftigen. Will sagen: Hier schreibe ich für mich. Gäste sind, wenn sie sich hier wohlfühlen, natürlich herzlich willkommen zu kommentieren und herumzustöbern.

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Da hast Du Recht! (Ich musste es allerdings mangels...
Finchen1976 - 11. Mär, 15:10
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Nachtgezwitscher - 9. Mär, 21:35
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Nachtgezwitscher - 9. Jun, 23:04
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Dann musst Du umso bessere Stimmung haben. :-) Schön,...
Finchen1976 - 8. Nov, 08:47
Guter Rat ist wie Schnee:...
Guter Rat ist wie Schnee: Je leiser er fällt, desto...
Nachtgezwitscher - 6. Nov, 19:46
Wasser, das du nicht...
Wasser, das du nicht trinken kannst, sollst du weiterfließen...
Nachtgezwitscher - 6. Nov, 19:45

Pschschschsch... Lausch! (Nachhall des Tages)

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