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Der Mann von Samstag fand die längere Funkstille auch nicht gut. Gerade hatte ich, wie mir so eigen ist, beschlossen, dass ich mich aus Selbstschutz entliebe. Wenn ein Mann sagt, er melde sich irgendwann in drei Wochen nach seinem Urlaub, dann kann er nicht sehr verliebt sein. So saß ich also am Montagabend konsequent desillusioniert vor meinem Laptop und bekam Stilaugen, als plötzlich eine E-Mail mit dem Betreff "Drei Wochen?" eintrudelte, die besagte, er wolle mich viel früher wiedersehen. Seitdem schwebte ich hormongeladen durch die Woche, habe nebenbei das Vorstellungsgespräch gehabt und gejobbt und konnte trotz der vielen Arbeit nicht so richtig schlafen. Gejobbt habe ich diese Woche dort (ich erwähnte es schon einmal im Herbst), wo mit mir schon einmal ein Werbefilmchen gedreht wurde. Heute Mittag bin ich also ein paar Haltestellen mit der Bahn gefahren, in das Büro, das ich mittlerweile schon kenne. Fotos wollten sie heute, für ihren Flyer. Die ganze vier-Mann-Belegschaft war dort, ein Deutscher und drei Amerikaner. Der Chef, Amerikaner, ungefähr so jung wie ich, hatte mich im Herbst angeheuert und war meine Kontaktperson. Auf den Fotos sollte ich lachen. Ständig lachen ist gar nicht so einfach. Ich half mir selbst damit aus, dass ich mit dem zugegebenermaßen attraktiven und intelligenten Chef flirtete. So, wußte ich, wird mein Lachen am schönsten. Die zwei Amerikaner hatten ihre eigenen Weg, mein Lächeln zu provozieren: Sie brachten mich ständig zum Lachen. So verbrachte ich einen extrem lustigen Nachmittag, lachte und lachte über Witze, texanische Akzente und allerhand Albernheiten und fühlte mich, ein anderes Wort gibt es dafür nicht, sauwohl. Für den Rückweg packte mich der Chef wieder in sein Auto und fuhr mich zum Bahnhof. Er erzählte mir auf der Fahrt, er sei dabei, neue Designs für einige seiner Produkte zu entwickeln und wolle dazu noch eine deutsche Meinung. Er zog ein Blatt Papier mit einigen Entwürfen aus der Tasche und hielt es mir vor die Nase. Ich sagte ihm, welches Design mir am besten gefiel und warum. Nächstes Blatt Papier. Mittlerweile standen wir vor dem Bahnhof. Viermal die Abbildung des Produkts mit unterschielichen Designs. Auf dem zweiten Design von rechts stand dick geschrieben: "Willst du mit mir essen gehen?" Habe ich geschaltet? Nein. Er musste mich erst nach ein paar Minuten, sichtlich nervös, darauf hinweisen: "Er, I don't know if you've noticed it, but that's a trick." Daraufhin bekam ich Augen groß wie Untertassen, mußte mich dreimal vergewissern, ob das auch tatsächlich so gemeint war, stand nachher mit dem Blatt zitternd am Bahnhof und dachte nur an das Lieblingssprichwort meiner besten Freundin: "When it rains, it pours." Und shit, ich hatte mich so darauf gefreut, heute den Mann von Samstag anzurufen.
Nachtgezwitscher - 5. Mär, 16:41