Unbezahlbarer Moment
April 2004. Mit einer Gruppe Studenten fahren wir nach Lüttich, auf einen Tagesausflug. Lüttich mag ich gern, die Stadt ist ein wenig verlottert, unperfekt, völlig lässig. Ich fühle mich wohl dort. Massen wuseln, wir bahnen uns unseren Weg. Natürlich können nicht alle zusammenbleiben, wir sind immerhin fünfzig. Mich haben Freundinnen begleitet, wir brechen weg, sehen gerade noch ein Grüppchen und schließen uns ihnen an. So laufen wir plötzlich mit einem russischen Pärchen durch die Stadt. Sie gehen beide so selbstverständlich miteinander um, dass ich mir sicher bin, sie gehören zusammen. Was für schöne Menschen Russen sein können. Der Mann packt ihr Wasserflaschen in den Rucksack, wirkt fürsorglich. Einige Zeit später verlieren wir sie wieder, der Tag schreitet fort. Als wir schon müde sind, trifft sich die gesamte Gruppe in einem Cybercafé. Seltsamer Ort, entfremdend, die Wände sind bemalt, die Räumlichkeiten zerhackt, Pflanzen in Dämmerlicht getaucht. Meine Freundinnen sind weg, Fremde um mich herum, leichte Unsicherheit. Dort ist er wieder, groß, braunhaarig, schön, mit einem rollenden R, und hängt lasziv auf seinem Stuhl. Er wirkt gelangweilt. Die Menschen um ihn herum scheinen ihn nicht wahrzunehmen. Sie reagieren nicht, ihre Gesichter sind leer und emotionslos. Trotzdem sprich er, ohne Zuhörerschaft, völlig selbstverständlich in den Raum hinein. Ich wundere mich. "Später, wenn ich aalt biiiin, dann möchte ich eine Iiinsel haben. Das ist mein Traum. Am liebsten möchte ich auf einer Insel wohnen. Ganz allein. Nur für mich." Unspektakulär, inmitten absurd uneinbezogener Menschen, seltsam einfach, seltsam faszinierend, und es ist um mich geschehen. Ich bin verliebt.
Nachtgezwitscher - 24. Feb, 00:04