Kalt - Temperaturprobleme
Ich hab nicht geheizt. Aber das ist es nicht. Seelisch ist mir, als hätte ich eine dünne Eiskruste ums Herz. Sie tut weh und isoliert. Gesellschaft hilft, ja, aber nach Gesellschaft ist mir nicht. Obwohl ich mich so einsam fühle, dass es schmerzt. Völlig paradox. Meine Wahrnehmung ist geprägt von einem mentalen Röhrenblick, Wärme wird vermindert wahrgenommen, Freude anderer auch. Obwohl es sie gibt. Ich esse weniger und ignoriere mein Hungergefühl, das ist untypisch. Verbalisieren tut ganz gut. Wenn ich diesen Text wieder lesen werde, werde ich ihn nicht mögen. Wird in der Kategorie 'Schreiben und sofort zerknüllen und wegwerfen' landen. Ein Freund, mit dem ich heute stundenlang spazieren war, sagte mir: "Wenn man anfängt, vor allem Angst zu haben, dann hat man es schwer. Außerdem bringt es gar nichts." Den Gedanken würde ich gern verinnerlichen, in manchen Phasen wird er da drinnen aber nicht rezipiert. Ich seh schon, heute Nacht schlafe ich mit einem Kuscheltier. Wenn ich mich hier ein wenig ausgeheult habe, wird es hoffentlich besser gehen. Werde die Heizung anmachen, eine kuscheligen Film gucken. Seltsamer Weise weine ich in solchen Situationen fast nie. Dabei wäre das so naheliegend. Manchmal braucht die Eiskruste Wochen, bevor sie schmilzt, manchmal ist sie schneller weg. Das hängt von den äußeren Umständen ab. Wenn ich mich sehr geliebt fühle, dann kommt sie garnicht. Warum kommt die Eiskruste jetzt? Bald muss ich eine Umgebung verlassen, die ich während der vielen Jahre, die ich dort verbracht habe, langsam liebgewonnen habe. In der ich lange gelebt habe. Bin also dabei, heute mit einer Portion Selbstmitleid, die Wurzeln langsam wieder aus dem angestammten Boden herauszuziehen. Habe fast jedes Steinchen und viele Bodenbewohner sehr liebgewonnen. Neue Böden bieten neue Möglichkeiten. Manchmal sehe ich das so, manchmal nicht. Bis es endgültig soweit ist, dauert es noch einige Monate. Aber mir ist schonmal richtig kalt, vorfühlend, sozusagen.
Nachtgezwitscher - 4. Okt, 19:42